Liebe Bürgerinnen und Bürger,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen – außer der AfD,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Corona hat uns doch eins aufgezeigt. Krisen können wir nur bewältigen, wenn jeder für den anderen einsteht. Wenn wir gerade den Schwächsten der Gesellschaft helfen. Diese Form des Zusammenhalts wollen wir als LINKE zur Richtschnur der Politik in dieser Stadt machen. Deshalb gehen wir mit einer klaren politischen Idee in diese Haushaltsverhandlungen. Wir wollen aus der Stadt des Rechts die Stadt der Solidarität machen.
Denn Solidarität ist die politische Ablehnung des Konkurrenzdenkens der Ellbogengesellschaft im Kapitalismus, wo jeder auf sich allein gestellt ist. Sie ist der Kern, der eine Gesellschaft zusammenhält – vor, während und nach der Krise. Solidarität gilt besonders für die kommenden Generationen. Angesichts der globalen Entwicklung ist eine aktive Klimaschutzpolitik keine Option, sondern ein Muss. Deshalb lehnen wir das Ausspielen von Sozialem und Umwelt gegeneinander vehement ab. Liebe CDU, bitte ersparen Sie uns doch diesen peinlichen Versuch. Wir wissen doch bereits, dass Sie weder für Sozial- noch für Umweltpolitik stehen.
Herr Oberbürgermeister, Sie bezeichneten in Ihrer Rede diesen Haushalt als einen des „Umbruchs“, bevor wir in eine „Haushaltspolitik des Aufbruchs zu neuen Zielen“ eintreten.
Sie sind aktuell im Wahlkampf – deshalb kann ich ihre verschönerte Wortwahl verstehen. Aber ich bleibe lieber klar: Der uns von Ihnen vorgelegte Haushaltsentwurf ist ein „Haushalt des Stillstands“.
Er versagt dabei Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, er verpasst die Gelegenheit die entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft zu setzen und verweigert sich schlichtweg daran die drängenden Fragen zeitnah zu beantworten.
Für uns als LINKE ist klar: Dieser Haushalt muss im Zeichen eines sozialen und ökologischen Aufbruchs in ein neues Zeitalter der Solidarität stehen. Die große Mehrheit der Menschen in dieser Stadt muss endlich von der Politik in diesem Gemeinderat profitieren.
Von der Corona-Pandemie sind alle betroffen, doch am meisten leiden diejenigen, die davor schon von verschiedenen, schwierigen Verhältnissen betroffenen waren. Gerade in der Stunde der größten Not, sind sie es, denen wir zeigen müssen, dass der Staat sie nicht allein lässt; dass das Sozialstaatsversprechen gilt. Die Antwort auf einer der größten Sozialkrisen der letzten Jahrzehnte kann nicht die im Haushalt vorgesehene Nullrunde im Sozialbereich sein.
Deshalb werden wir als LINKE beantragen, dass die Sozialträger ausreichend finanziert und endlich die Zuschüsse für ihre Leistungen dynamisiert werden. Wir wollen, dass nicht nur mehr Menschen den Karlsruher Pass in Anspruch nehmen können, sondern dass weitere Leistungen ergänzt werden. Wie zum Beispiel zusätzliche Vergünstigungen beim Eintritt in die Karlsruher Bäder; dass es einen kostenfreien Zugang zur Kultur gibt. Denn in einer Stadt der Solidarität hat man besonders die Interessen der Schwächsten der Gesellschaft im Blick.
Herr Oberbürgermeister, in ihrer Karlsruher Bilanz der letzten Jahre, weisen Sie einige „vermeintliche“ Erfolge aus. Lassen Sie mich darauf eingehen.
In der Frage des sozialen Wohnungsbaus sprechen Sie davon, dass „das Ruder umgerissen wurde“. Die Wahrheit ist, dass wir eine Mietpreissteigerung von 27% von 2009-2019 erlebt haben. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist drastisch gesunken. 38% der Karlsruher Haushalte müssen heute mehr als 30% ihres Einkommens für ihre Miete bezahlen. Sie erinnern mich in Ihrer Ausführung eher an den Kapitän der Titanic, der nach dem Rammen des Eisberges, stolz verkündet, dass er das Ruder umgerissen hat.
Unsere Vorschläge für eine soziale Wohnungspolitik liegen in den Haushaltsverhandlungen auf dem Tisch. Wir wollen die Menschen in dieser Stadt vor Verdrängung schützen. Deshalb beantragen wir entsprechende Personalstellen im Haushalt, um mit dem Milieuschutz in der Südstadt zu beginnen. Wir wollen mehr Flächen und Wohnungen in die öffentliche Hand überführen – dafür braucht es mehr finanzielle Mittel. Außerdem wollen wir, dass gemeinwohlorientierte Wohnprojekte statt großer Immobilienhaien, über eine Koordinierungsstelle bei der Stadt stärker unterstützt werden. Denn in einer Stadt der Solidarität kann sich jeder eine gute Wohnung leisten.
Herr Oberbürgermeister, Sie rühmen sich dafür, dass Karlsruhe die Fahrrad-Hauptstadt Deutschlands ist. Ja, der Radverkehr hat sich gut entwickelt. Aber wir sehen alle die täglichen Probleme in der Stadt. Zum Beispiel, dass die Fahrradstraßen noch weit weg vom Ideal sind. Oder dass die entsprechende Fahrradinfrastruktur, wie Abstellplätze, in der Stadt fehlen. Deshalb fordern wir mehr Personal und Ressourcen für eine Beschleunigung des Umbaus zur Fahrrad- und Fußgängerstadt. Zusätzlich wollen wir mit einem Radgutschein auch Menschen mit wenig Einkommen unterstützen.
Gleichzeitig hat der motorisierte Individualverkehr in den letzten Jahren weiter zugenommen und der Anteil des ÖPNV ist gesunken. Wir ersticken noch am Autoverkehr in dieser Stadt. Daher müssen wir jetzt den Autoverkehr massiv reduzieren und eine klimaneutrale Mobilität verwirklichen. Denn nur so können wir einer lebenswerten Stadt sowie dem Klimaschutz gerecht werden. Davon ist im Haushalt bisher nichts zu sehen. Das muss sich ändern.
Auch haben wir keine wesentlichen Fortschritte für den ÖPNV erlebt. Die von Ihnen gepriesene Kombilösung wird diese nicht bringen. Ganz im Gegenteil. Übrigens ist das eines von vielen Projekten, deren Kosten unter Ihrer Verantwortung völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Und worunter wir in Zukunft leiden müssen. An dieser Stelle auch ein vergiftetes Danke an alle Fraktionen, die dieses Projekt und andere bewilligt haben und jetzt sich aufspielen, als hätten Sie mit all dem nichts zu tun. Die CDU darf sich gerne davon angesprochen fühlen. Statt der Kombilösung hätten wir lieber die vielen Streckenerweiterungen in den Angriff genommen, die erst jetzt – und damit viel zu spät – beginnen. Und als LINKE wollen wir zurück in die Zukunft: Wir wollen den Nightliner unter der Woche wieder in die Stadt zurückbringen.
Dank der vielen Preiserhöhungen im letzten Jahrzehnt sind wir noch weit entfernt von einem bezahlbaren ÖPNV. Deshalb fordern wir den kostenfreien ÖPNV für Schüler*innen, Azubis und besonders für Menschen mit geringem Einkommen. Denn wir wollen das Recht auf Mobilität in einer Stadt der Solidarität umsetzen.
Beim Klimaschutz geben Sie sich als grüner Oberbürgermeister gerne als Vorkämpfer. Ich lese den Haushaltsentwurf und stelle fest: Nicht einmal die von der Verwaltung genannten Zahlen für das Klimaschutzkonzept sind entsprechend im Haushalt eingestellt. Wir haben genau drei Jahrzehnte, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Wir werden gleich im ersten Jahr in einen peinlichen Rückstand geraten, wenn wir ihrem Haushaltsentwurf folgen.
Liebe Grüne, Liebe SPD – wenn Sie nicht mal jetzt die notwendigen Mittel aus dem Klimaschutzkonzept gemeinsam mit uns im Haushalt durchsetzen, haben sie sich als Partnerin der Umweltbewegung völlig disqualifiziert.
Und keine Sorge, wir haben sogar ein ganzes Antragspaket für sie vorbereitet. Sie müssen also nichts weiter tun, als unseren Anträgen in den Haushaltsverhandlungen zuzustimmen. Denn in der Stadt der Solidarität werden wir das Klima schützen.
Die Karlsruher Kulturlandschaft ist Herz und Seele dieser Stadt. Diese trifft Corona mitten ins Herz. Die ohnehin schwierige finanzielle Situation vieler Kulturschaffenden und Institutionen hat sich verschärft. Im Haushalt ist von der Corona-Krise nichts zu sehen. Beinahe fahrlässig wird einfach der Haushalt 2020 fortgesetzt und Corona völlig ausgeblendet. Damit heben Sie schon das Grab für die Kultur aus. Hier könnte Corona der Sargnagel sein. Damit das Versprechen des Gemeinderats und des Oberbürgermeisters gilt, dass keine Kultureinrichtung verloren gehen darf, werden wir eine Fortsetzung des Corona-Hilfsfonds beantragen. Denn die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Und wir werden uns als LINKE besonders dafür einsetzen, dass gerade kleinere Kultureinrichtungen wie der Sau e.V. in der Alten Hackerei, das Tiyatro Diyalog und andere ausreichend finanziell unterstützt werden. Weil in der Stadt der Solidarität Platz für eine vielfältige Kulturlandschaft ist.
Zu dieser Stadt der Solidarität gehört auch, dass alle eine gute Arbeit haben. Deshalb wollen wir Mindesthonorarvergütungen bei Künstler*innen verankern. Gute Arbeit muss auch in der Kultur gelten. Dies gilt ebenfalls für das Staatstheater.
Weiterhin wollen wir die Arbeitsförderung weiter ausbauen genauso wie die Beschäftigten am Städtischen Klinikum besser bezahlen. Vor nicht langer Zeit hat der Gemeinderat Ihnen für Ihre besonderen Leistungen applaudiert. Aber Applaus reicht schon lange nicht mehr aus. Deshalb machen Sie doch bitte das einzig richtige und stimmen unserem Antrag in den Haushaltsberatungen zu. An dieser Stelle wünsche ich den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die auch heute in Karlsruhe wieder streiken, viel Erfolg beim Arbeitskampf.
In einer Stadt der Solidarität ermöglichen wir ein sozial gerechtes Bildungssystem. Deshalb begrüßen wir die weiteren Schritte zum Ausbau der Kitas in der Stadt. Und besonders wollen wir die neue Finanzierungssystematik für Kitas hervorheben. Damit schaffen wir, dass viele Familien teilweise oder vollständig von den Kitagebühren befreit werden. Doch der politische Auftrag endet nicht hier. Wir müssen das gesamte Bildungssystem kostenfrei machen – von der Kita über die Fachschule bis hin zur Uni. Neben dem Erlass von Benutzungsentgelten oder einer ausreichenden IT-Ausstattung gehört auch dazu, dass Schüler*innen ein kostenloses Mittagessen bekommen. Nur mit vollem Magen lernt es sich gut und nur ein kostenfreies Bildungssystem ist sozial gerecht.
Zu einer Stadt der Solidarität gehört unbedingt eine vielfältige Gesellschaft.
Wir müssen dafür sorgen, dass alle sich in dieser Stadt wohlfühlen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Sexualität. Deshalb wollen wir nicht nur die Integrationsprojekte dieser Stadt vollständig ausfinanzieren – wie z.B. die Flüchtlingshilfe. Sondern auch, die Antidiskriminierungsarbeit weiter stärken. Die Beratungsstellen in dieser Stadt müssen dringend ausgebaut werden und gleichzeitig wollen wir städtische Antirassismus und Queer-Beauftragte etablieren. Denn eine ungenügende Finanzierung von Antirassismusarbeit ist wie zu spät aufs Klo zu gehen: Dann wird es an den falschen Stellen braun.
In einer Stadt der Solidarität leisten die Wohlhabenden einen wesentlichen Anteil an der Finanzierung dieser Stadt.
In den Haushaltsreden wurde überall ausgeführt, es sei kein Geld mehr da. Aber in Wahrheit ist das Geld da. Nur liegt es nicht bei den Kommunen, sondern bei den Reichen und bei den Konzernen in diesem Land.
Darunter leidet der städtische Haushalt, genauso wie unter den Kostenexplosionen bei den Großprojekten des Grauens. Der Oberbürgermeister hat angekündigt, dass wir Aufgaben auf den Prüfstand stellen werden. Für die Bürger*innen heißt das übersetzt, dass Kürzungen bevorstehen. Das gab es erstaunlicherweise bereits vor geraumer Zeit in Ihrer Verantwortung. Und jetzt sind wir wieder an ähnlicher Stelle angelangt. Angesichts der Erfahrungen ahne ich dabei nichts Gutes. Aber wie beim letzten Mal können sie mit dem Widerstand von links rechnen.
Die Frage der Finanzsituation ist eine der drängenden Fragen, die Sie alle in diesem Haushalt nicht beantworten wollen.
Ich mache Ihnen und dem gesamten Gemeinderat einen Vorschlag: Machen wir endlich hier eine ehrliche Finanzpolitik und gehen an die Steuereinnahmen ran. Ohne eine Anhebung der Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer werden wir den Haushalt nicht in den Griff kriegen – weder heute noch morgen. Dies darf nicht unterlassen werden, weil jetzt eine Oberbürgermeisterwahl ansteht und man sich damit nicht beliebt macht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie müssen sich in diesem Haushalt schon entscheiden: Wollen sie die Zukunft der Stadt gefährden, in dem sie im Sozialem, bei der Kultur oder dem Klimaschutz sparen und wichtige Investitionen nicht tätigen? Oder sind Sie bereit Steuern zu erhöhen? Für eins von beiden werden Sie sich entscheiden müssen. Insbesondere Grüne, CDU und SPD. Im Haushalt werden Sie über unsere Finanzierungsanträge abstimmen, bis dahin haben Sie Zeit. Und ich bin ganz froh, dass die CDU nichts bei den Finanzen machen will. Spätestens nach den Großprojekten sollten Sie lieber die Finger davonlassen.
Dass wir in so vielen Bereichen nicht den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden, ist natürlich nicht alleine in der Verantwortung des OB’s, sondern auch in dem der CDU, Grüne und SPD als größte Regierungsfraktionen. Sie haben in den letzten Jahren eine neue olympische Disziplin erfunden: die Disziplin des Ankündigens und Versprechens – vor allem vor und während Wahlkämpfen. Aber wenn es darauf ankommt ihre Versprechen und schicken politischen Konzepte in die Tat umzusetzen, fehlt ihnen der Mut oder sie verweigern schlichtweg das Geld.
Wir als LINKE treten gemeinsam mit der vielfältigen Zivilgesellschaft dafür ein, genau das zu verändern. Sie, Grüne und SPD, haben die Chance, das gemeinsam mit uns zu tun. Zeigen sie den Bürger*innen, dass es einen Unterschied macht, wenn es eine Mitte-Links Mehrheit im Gemeinderat gibt oder die Konservativen regieren. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit dazu, gemeinsam die Vision einer sozialen und ökologischen Stadt zu verwirklichen. Und falls sie dazu nicht bereit sind, können Sie weiterhin eine entschlossene linke Opposition erwarten.
Wir bleiben dran und wollen eine Stadt, in der Platz für alle ist. Egal was sie verdienen, egal woher sie kommen, egal wie sie leben wollen.
Eine Stadt, die diejenigen am stärksten unterstützt, die am meisten Hilfe benötigen. Denn in der Stadt des Rechts gilt nicht das Recht des Stärkeren. Sondern man hilft sich gegenseitig und bildet eine Gemeinschaft. Und wenn wir im kommenden Haushalt die entscheidenden politischen Weichen stellen, können wir Karlsruhe zu dieser Stadt der Solidarität machen. Für alle. Vielen Dank.