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Offener Brief an OB Mentrup: Keine Einschränkung der Unterstützung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter in Karlsruhe

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Mentrup,

aus der Presse haben wir eine Stellungnahme von Ihnen, mit Vorschlägen zur Änderung der Praxis bei der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten gelesen.

Sie schlagen vor: „Aufsichts- und Fürsorgepflichten etwas weniger streng zu handhaben. Jugendliche, die sich unter Umständen schon jahrelang auf ihrer Flucht allein durchgeschlagen hätten, bräuchten vielleicht nicht alle zwingend ab Ankunft hier die volle Verantwortung durch Jugendämter […]. Beispielsweise könnten auch Sicherheitsfachkräfte in bestimmten Fällen die Minderjährigen beaufsichtigen. In Ansätzen sei das ja bereits möglich. Denkbar wäre auch, dass man die Altersgrenzen etwas verschiebe und Jugendliche schon ab 16 Jahren trotz ihres jugendlichen Alters in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen dürfe.“ (Süddeutsche Zeitung 27.09.23)

Wir sind erstaunt und auch entsetzt über diese Vorschläge und sehen darin einen Abbau von Rechten für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Wir stimmen Ihnen Feststellung zu, dass die Mitarbeiter*innen der Jugendämter, wie auch Schulen und Kitas, derzeit massiv überlastet und am Anschlag sind. Ein Grund ist u.a. die große Anzahl an Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine. Nur ein kleiner Teil der Geflüchteten sind unbegleitete Kinder und Jugendliche, die hier in Karlsruhe ankommen. Aber gerade diese Kinder und Jugendlich benötigen aus unserer Sicht ohne Einschränkung Hilfe und fachkundige pädagogische Betreuung.

Ihnen ist bewusst, dass Sie sich auf „ein sehr heikles Feld“ begeben und Sie machen dennoch Vorschläge, diesen schutzbedürftigsten Kindern und Jugendlichen Unterstützung zu entziehen. Eine „Beaufsichtigung“ durch Sicherheitsdienstmitarbeiter*innen, statt durch geschulte Betreuer*innen des Jugendamtes, bringen sie in die Diskussion. Und Sie begründen dies damit, die Jugendlichen hätten ja schon gelernt, sich jahrelang allein auf der Flucht durchzuschlagen. Das klingt für uns nach Zynismus. Insbesondere nach den vielfach traumatisierenden Erfahrungen auf der Flucht brauchen die jungen Menschen aus unserer Sicht eine kompetente sozialarbeiterische Betreuung, damit sie endlich (wieder) einfach nur Heranwachsende sein können.

Wir sehen hier einen direkten Zusammenhang mit der aktuellen politischen Diskussion in Deutschland um die Einschränkung von Rechten Geflüchteter. Positionen, die einst allein am rechten Rand vertreten wurden, wird in der aktuellen Debatte immer mehr Raum gegeben. Das Menschenrecht auf Asyl wird auch in Deutschland inzwischen zunehmend gesetzlich eingeschränkt und durch Sachzwänge überlagert, die auch in Karlsruhe nicht adhoc gelöst werden können.

Die großen Fluchtbewegungen auf der Welt und auch nach Europa konnten und können niemand überraschen, auch nicht die politisch Verantwortlichen in Karlsruhe. Deshalb hatten wir als LINKE bereits in der Mai-Sitzung des Gemeinderats 2020 beantragt, Vorsorge zu treffen und mehr Plätze zur Aufnahme von geflüchteten unbegleiteten Minderjährigen zu schaffen.

Sie sagten in der damaligen Sitzung, dass die vorsorgliche Einrichtung von Plätzen zu teuer und nicht notwendig sei. Wenn in der Zukunft nötig, könnten diese geschaffen werden. Mittlerweile haben Sie Ihre Sichtweise anscheinend geändert?

Ihre Forderung an die Landesregierung nach mehr Unterstützung für die Kommunen ist richtig. Wir unterstützen diese sehr gerne. Karlsruhe hat sich zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Das sollte auch so bleiben und ohne Einschränkungen umgesetzt werden, gerade wenn es Kinder und Jugendliche betrifft. Deshalb bitten wir Sie, ihre Stellungnahme und die darin enthaltene Position zu überdenken und sind gerne zu einer weiterführenden Diskussion bereit.


Mit freundlichen Grüßen
Karin Binder
Mathilde Göttel
Lukas Arslan