Anfrage: Erkenntnisse über Gewalteinsätze, Rechtsradikalismus und Racial Profiling bei Beamt*innen der Karlsruher Polizei und des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD)

In den letzten Wochen und Monaten häufen sich negative Meldungen über Polizeibeamt*innen in der Bundesrepublik. Immer häufiger wird die Öffentlichkeit Zeuge von gewalttätigen, eskalativen Polizeieinsätzen. Was für Demonstrant*innen, Fußballfans oder Menschen mit dunkler Hautfarbe längst Normalität ist, tritt immer stärker ins Bewusstsein des Rests der Bevölkerung. Polizeigewalt ist ein Problem auch hierzulande. Erste Befunde einer aktuellen Studie an der Universität Bochum deuten darauf hin, dass die Dunkelziffer bei Polizeigewalt sehr hoch liegt. Ebenfalls zeigt die Studie auf, dass in den seltensten Fällen ein Strafverfahren gegen Polizist*innen eingeleitet wurde. Falls doch, führte nur ein Bruchteil auch zu einer Verurteilung. Polizeigewalt hat in den seltensten Fällen Auswirkungen für Polizist*innen in Deutschland.

Neben den hohen Zahlen zu Polizeigewalt ist auch eine Verstärkung  rechtsradikaler Tendenzen in der Polizei zu vernehmen. Vorkommnisse, wie die „NSU 2.0-Drohmails“ bei der Hessischen Polizei, aber auch die kürzlich in NRW aufgedeckten Chatgruppen von Polizeibeamt*innen, in denen offen nationalsozialistisches Gedankengut und Symbolik geteilt wurden, offenbaren, dass es innerhalb der Polizei rechtsradikale Netzwerke gibt. Und es handelt sich hierbei nicht um Einzelfälle. Dies musste sogar der CDU-Innenminister von NRW, Herbert Reul, jüngst zugeben. Dass es innerhalb solcher Netzwerke auch Aufrufe gibt, sich auf den sogenannten „Tag X“ – also den Bürgerkrieg und Systemsturz - vorzubereiten, muss zu denken geben und zum Handeln führen.

Wir bitten die Verwaltung daher um Beantwortung folgender Fragen:

 

  1. Liegen der Verwaltung Erkenntnisse über Eskalationen und Gewalteinsätze bei Polizeieinsätzen, wie beispielsweise bei Demonstrationen, Fußballspielen oder Personenkontrollen, sowie Einsätzen des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) durch die eingesetzten Beamt*innen vor? (Letzte 7 Jahre)
  • Wurden in dem Zusammenhang Disziplinar- oder Strafverfahren gegen entsprechende Personen eingeleitet?
  • Falls ja, was waren die Gründe bzw. Vorwürfe für die Verfahren? Was waren die    Konsequenzen der Disziplinar- und Strafverfahren?
  • Wurden in dem Zusammenhang Dienstaufsichtsbeschwerden gestellt?
  • Falls ja, was war das jeweilige Ergebnis der Dienstaufsichtsbeschwerde? Wie viele wurden weiter verfolgt, aus wie vielen sind Disziplinar- oder Strafverfahren eingeleitet         worden? Wie viele wurden nicht weiter verfolgt?

2. Gingen bei den zuständigen Stellen (Dienstaufsichts-)Beschwerden wegen „Racial Profiling“, also Kontrollen aufgrund vermeintlich herkunftsspezifischer Merkmale, bei Einsätzen Karlsruher Polizeibeamt*innen oder dem KOD ein?

  • Falls ja, wie verliefen die Dienstaufsichtsbeschwerden? Wie viele wurden weiter verfolgt, aus wie vielen sind Disziplinar- oder Strafverfahren eingeleitet worden?
  • Welche Maßnahmen werden beim KOD bzw. der Polizei durchgeführt, um das bewusste oder unbewusste Anwenden von „Racial Profiling“ zu unterbinden und Mitarbeiter diesbezüglich zu sensibilisieren?
  • Wie geht die Polizei und der KOD mit der Möglichkeit um, dass bisher fehlende Erkenntnisse zur Durchführung von „Racial Profiling“ auch die Folge einer unzureichenden Erfassungspraxis sein können?
  • Wäre es denkbar, eine unabhängige Beschwerdestelle auf kommunaler oder Landesebene einzusetzen?

3. Werden Auffälligkeiten bezüglich der Häufigkeit von Eskalationen und Gewalteinsätzen bei Polizeieinsätzen durch Polizeibeamt*innen unter Aufsicht bestimmter Einsatzleitungen bzw. Polizeigruppenführer*innen in Karlsruhe festgestellt? Bitte auch in Bezug auf Einsätze des KOD beantworten.

  • Falls ja, welche Konsequenzen wurden in solchen Fällen bisher gezogen (z.B. Disziplinarverfahren, Versetzung, Absetzung von Einsatzleiter*innen usw.)?
  • Falls bisher keine Konsequenzen gezogen wurden: Kann damit gerechnet werden, dass sich hieraus in Zukunft Konsequenzen ergeben, wie zum Beispiel solche Einsatzleiter*innen beispielsweise bei Demonstrationen oder Fußballspielen nicht mehr einzusetzen?
  • Gibt es Gespräche vor Kundgebungen, Demonstrationen, etc. zwischen der Ordnungsbehörde und der Polizei, welche Einsatzleitungen bzw. Polizeigruppenführer*innen eingesetzt werden?
  • Gibt es Gespräche vor Kundgebungen, Demonstrationen, etc. zwischen der Ordnungsbehörde und der Polizei, wie eine deeskalative Einsatzführung durchgeführt werden kann?

4. Liegen der Verwaltung Kenntnisse über Disziplinar- oder Strafverfahren mit Bezug zu rechtsradikalen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen innerhalb der Karlsruher Polizei und/oder des Kommunalen Ordnungsdienstes vor? (Letzte 7 Jahre).

  • Falls ja, welche? Bitte Nennung der Zahlen und Gründe bzw. Vorwürfe.
  • Falls keine Erkenntnisse hierzu vorliegen: Plant die Stadt Karlsruhe sich zukünftig einen vertieften Überblick über Disziplinar- und Strafverfahren im Kontext mit Rechtsradikalismus beim Land Baden-Württemberg zu machen? Falls nein, weshalb nicht?

5.Hat die Stadt Erkenntnisse darüber, ob innerhalb der Karlsruher Polizei bzw. des KOD dienstliche Chatgruppen genutzt werden?

  • Auf wessen Veranlassung, in welchem organisatorischen Rahmen und zu welchen konkreten Zwecken werden solche Chatgruppen genutzt?
    • Werden diese Chatgruppen moderiert, und falls ja, durch wen?
    • Welcher Chat-Anbieter wird hierfür verwendet und wer wählt diesen aus?
    • Ist bekannt, ob es private Chatgruppen innerhalb der Polizei bzw. des KOD gibt? Falls ja, werden diese Chatgruppen auf dienstlichen Smartphones verwendet?

6. Wie bewertet die Stadt die Offenlegung von rechtsradikalen Netzwerken innerhalb der Polizei?

  • Wurde sich nach den aktuellen bundesweiten Vorkommnissen hierzu seitens der Karlsruher Polizei bzw. dem KOD ein Überblick über die Situation vor Ort verschafft und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
  • Wie geht die Polizei mit der Möglichkeit um, dass bisher fehlende Erkenntnisse in diesem Bereich auch die Folge einer unzureichenden Erfassungspraxis sein können?
  • Welche Maßnahmen könnten aus Ihrer Sicht getroffen werden, um der Bildung rechtsradikaler Netzwerke in der Karlsruher Polizei vorzubeugen bzw. diese aufzudecken?
  • In welchem Rahmen wird beispielsweise die Problematik von rechtsradikalen Netzwerken zwischen Polizei und Verwaltung diskutiert?
  • Wäre es beispielsweise denkbar, eine*n unabhängige*n Polizeibeauftragte*n auf kommunaler oder Landesebene einzusetzen, der*die als Vermittler*in zwischen den zuständigen Stellen fungiert? Welche Schritte wären nötig, um dies zu veranlassen?
  • Wie wird bei der Einstellung von entsprechendem Personal bei Polizei oder KOD auf rechtsradikale Betätigungen, Verbindungen und Gedankengut hin überprüft?

7. Wurden in der Vergangenheit Schulungen für Polizeibeamt*innen und Beamt*innen des KOD zum Thema „Rechtsradikalismus, Rassismus, Antisemitismus und weiteren Formen von Diskriminierung durchgeführt? Bitte im Einzelnen aufführen.

  • Falls nein, sind solche Schulungen geplant?
  • Inwiefern wird bei der Ausbildung von Bundes- und Landespolizist*innen und Mitarbeiter*innen des KOD auf das Problem eingegangen und wie viele Ausbildungsstunden sind hierfür verpflichtend vorgeschrieben?
  • Inwiefern wird bei der Einstellung von Mitarbeiter*innen des KOD auf das Problem eingegangen und wie viele Ausbildungsstunden sind hierfür verpflichtend vorgeschrieben?
  • Inwiefern wird hier auch die Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Durchführung von Schulungen etc. realisiert?

 

Mathilde Göttel, Lukas Bimmerle, Karin Binder

Vorstandskollektiv

Fraktion DIE LINKE. im Gemeinderat Karlsruhe