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Rede im Gemeinderat: Lukas Bimmerle zur Umfahrung Hagsfeld

"Sehr geehrte Damen und Herren,


wir haben im vergangenen Jahr den Klimanotstand ausgerufen und beschlossen, alle unsere Vorlagen auf ihre Klimarelevanz zu überprüfen. Erst bei der letzten Sitzung des Gemeinderats ging es um eine entsprechende Methodik. Das hier heute ist das Paradebeispiel für ein Projekt, welches eigentlich heute nicht mehr beschlossen werden dürfte. Zumindest wenn man sich nicht völlig unglaubwürdig machen will. Dass die konservative Seite des Gemeinderats in der Mehrheit diesem Projekt zustimmt, überrascht mich nicht. Obwohl sie sich fast alle immer den Klimaschutz auf die Fahnen schreiben - teilweise bis an die Peinlichkeit -, ist ihre inhaltliche Ausrichtung völlig widersprüchlich hierzu. Vor allem sobald es um das Thema Auto und Straßenbau geht, setzt bei Ihnen eine wissenschaftliche Betrachtung der Themen völlig aus.


Dass die SPD sich hier heute dafür ausspricht, ist offensichtlich völlig widersprüchlich zu ihrem eigenen Anspruch als ökologische Partei. Aber wenn die SPD eines in den letzten Jahren bewiesen hat, dann ist das, dass sie Politik gegen ihr eigenes Programm umsetzt. Dieses Projekt der Umfahrung Hagsfeld mit einer erstaunlich langen Vorgeschichte und Diskussion kommt nun zu einer aus meiner Sicht entscheidenden Gabelung: Sind wir bereit Projekte mit langer Vorlaufzeit angesichts der derzeitigen Situation und Entwicklung in der Zukunft zu überdenken? Oder setzen wir sie einfach weiter um - unabhängig von den Folgen?


 „Wir brauchen jetzt eine Entlastung von Hagsfeld!“ heißt es oft in der Debatte und das selbst von Fraktionen, die es besser wissen müssten. Diese Aussage suggeriert leider einen völlig falschen Eindruck, als würde dies irgendwie schnell umgesetzt werden. Vielleicht könnte man 2025 starten, vielleicht später. Schnell ist das für mich nicht und leider kommt dies in der Debatte völlig falsch herüber. Und wir sprechen hier ja nicht mehr von einer massiven Entlastung, sondern nur noch von moderaten Zahlen. An die ich ehrlich gesagt nicht glauben kann. Ich sehe mich schon in einigen Jahren hier stehen und auf meine Rede vom 30.6.2020 verweisen. Diese Zahlen wirken für mich politisch motiviert, um irgendwie ein Wahlversprechen aus der Vergangenheit rechtfertigen zu wollen.


Auch auf die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, z.B. durch Versiegelung, wurde deutlich darauf hingewiesen. Jetzt gibt es sogar die „Untersuchung“ der Verwaltung, dass man durch die Umfahrung 22.000 km Wegstrecke am Tag sparen könnte. Diese „Untersuchung“ hat man uns vor einer Woche im Hauptausschuss im Nebensatz kurz erwähnt. Die Dokumente, die man uns auf Nachfrage zur Verfügung gestellt hat, erklären diese Fabelzahl nicht weiter. Damit sind wir nun endgültig in der Realsatire angekommen, wie es die Kolleg*innen von DIE PARTEI nicht besser machen könnten. Wir bewegen uns hier nun fernab jeglicher Wissenschaft. Bisher zeigen alle Studien von Verkehrsökonom*innen eins auf: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Denn neue Straßen sorgen dafür, dass noch mehr Menschen das Auto nutzen und Alternativen wie den ÖPNV meiden. Dass die Verwaltung hier etwas anderes behauptet, macht mich fast sprachlos. Auf dieser intransparenten Grundlage können wir eigentlich keine Entscheidung treffen.


Angesichts der aktuellen Situationen in der Corona-Krise und auch über die Jahre hinaus – ich verweise hier auf das Interview von Herrn OB Mentrup in der BNN – sieht es derzeit so aus, als würden wir auch in Zukunft mit einer wirtschaftlich schwierigeren Situation rechnen müssen. Und wir sprechen heute schon von einem Kostenblock von 70 Millionen Euro, den wir dann irgendwann in der Zukunft investieren wollen? Egal, wie viel am Ende aus anderen Stellen finanziert wird, jeder Euro ist einer zu viel für dieses Projekt. Nehmen sie das Geld und verbessern sie den ÖPNV und die Radinfrastruktur in dieser Stadt. Wir sind als Fraktion nicht bereits eine verantwortungslose Finanzpolitik mitzumachen. Denn diese Entscheidung wird wiederum zu einer Belastung des Haushalts führen und am Ende wird bei Sozialem & Kultur gekürzt werden.


Falls sie unseren Änderungsantrag ablehnen, dann kann die Antwort nur eines sein: Lassen Sie uns dieses Projekt heute sofort und unverzüglich beerdigen: Weil es ökologisch untragbar ist. Weil es in seinen Effekten auf Hagsfeld eine Fata Morgana ist. Und weil es finanzpolitisch unverantwortlich ist."