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Knappe Mehrheit im Gemeinderat gegen Videoüberwachung am Europaplatz

In der heutigen Sitzung des Gemeinderats wurde das Thema "Videoüberwachung am Europaplatz" behandelt. Die Stadt hatte gemeinsam mit EnBW ein Pilotprojekt zur Überwachung des Europaplatzes aufgelegt, das heute vom Gemeinderat abgestimmt werden sollte. Pikant: In der Beschlussvorlage der Stadt waren nicht nur einige ungeklärte Punkte, sondern auch Falschinformationen vorhanden. Zum einen konnte die Stadt nicht darstellen, wer am Ende die Videobilder auswertet (Kommunaler Ordnungsdienst oder EnBW), noch ob die Server geschützt sind, auf denen die Bilder gespeichert werden. Zum anderen behauptete die Stadt, dass der Landesdatenschutzbeauftrage das Projekt eingehend bewertet hatte - nach unseren Informationen wurde genau dies nicht gemacht. Hinzu kommt, dass die Kriminalitätsstatistik am Europaplatz so gering ist, dass rein rechtlich durch die Polizei keine Videoüberwachung dort durchgeführt werden kann - dies sollte durch den Einsatz eines privaten Unternehmens umgangen werden.

Unsere Fraktion stimmte mit einer minimalen Mehrheit des Gemeinderates gegen das Projekt. Wir sehen dies als ein wichtiges Signal gegen die Überwachung des öffentlichen Raumes, welche wir als LINKE konsequent ablehnen. Problematisch wird es vor allem, wenn private Unternehmen die Hoheit über Überwachungstechnik und die Auswertung der Daten haben.

Unser Stadtrat Lukas Bimmerle brachte den Standpunkt unserer Fraktion und die Kritik an dem Projekt in seinem Redebeitrag, welchen wir im Folgenden dokumentieren, gut auf den Punkt:

Sehr geehrte Damen und Herren,
dieses irrsinnige Pilotprojekt am Europaplatz lehnen wir aus drei Gründen als LINKE vehement ab:
 
Erstens, ist dieses Projekt ein völlig fatales Zeichen, wie der Staat gedenkt, Sicherheitspolitik zu machen. Die Sicherheit der Bürger*innen zu gewährleisten, ist eine der zentralen Aufgaben des Staates und darauf beruht das Gewaltmonopol. Und heute beschließen wir mit diesem Pilotprojekt, dass diese Hoheit in die Hände eines privaten Anbieters ausgelagert wird. Das ist eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben par excellence und das ist inakzeptabel. Das absolute Minimum wäre gewesen, wenn der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) dieses System nutzt und nicht die ENBW.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sie heute dieser Privatisierung zustimmen, dann bleiben sie doch bitte einmal konsequent. Dann privatisieren Sie bitte demnächst auch den KOD und den Überwachungsbürgermeister, ich meine den Ordnungsbürgermeister, Herrn Käuflein, mit dazu. Vielleicht will die ENBW das auch übernehmen. Und ich warne hier: Wenn am Europaplatz etwas passiert und die ENBW hat nicht rechtzeitig reagiert, wird die Frage der politischen Verantwortung aufkommen.
 
Zweitens, ist das ganze Projekt sowas von unklar. Und Herr Oberbürgermeister: das lag auch an den Vorlagen im Hauptausschuss, die vieles offen ließen. Das System hat noch nicht mal eine externe Cyber-Security Zertifizierung und wir wollen das installieren. Kein vernünftiges Industrieunternehmen würde sich auf so etwas einlassen und den Zugriff auf sensible Daten gewährleisten, bevor eine Zertifizierung existiert. Ich will noch nicht mal davon reden, inwieweit die Server geschützt sind. Oder dass die zu gering verpixelten Bilder eben doch Schlüsse auf Personen zulassen könnten, wenn sich jemand Drittes Zugriff verschafft und selbst die KI benutzt. Anscheinend hat noch nicht mal eine detaillierte Untersuchung durch den Landesdatenschutzbeauftragten stattgefunden - zumindest ist das nicht mal der Stadtverwaltung bekannt. Auf Anfrage bei „Frag den Staat“ hat der Landesdatenschutzbeauftragte mitgeteilt, dass er keine Unterlagen zur Datenschutzbewertung hat.

Und ich lächle darüber, wenn jetzt gesagt wird, dass der KOD dieselbe Datenhoheit wie die ENBW hätte. Mir wäre nämlich neu, dass wir beim KOD KI-Expert*innen eingestellt hätten, die den Code verstehen und prüfen könnten. Der trainierte Code kann übrigens dann von der ENBW auch für Geschäfte mit anderen Kunden genutzt werden. Wer weiß wer da in der Kundenliste steht? Vielleicht gibt es dann Überwachungstechnologie made in Karlsruhe.
 
Drittens, ist es finanzpolitischer Murks. Spätestens nach Ende des Pilotprojekts wird es darum gehen, das permanent zu installieren. Und wir müssen gar nicht so tun, als würde da eine ernsthafte Evaluation passieren. Da wird sich dann schon ein Fall zurecht gereimt und irgendeine Pressearbeit in der Öffentlichkeit gemacht. Woran liegt das? Das liegt daran, dass dieses Pilotprojekt der feucht-erotische Traum eines jeden Konservativen ist: Videoüberwachung, Sicherheit, Digitalisierung und irgendein heißer Scheiß mit KI – da schießt das Blut schon mal wo anders hin und der Verstand setzt aus. Und danach kommt die fette Rechnung, was das kostet. Und Sie alle werden es beschließen. Der Haushalt lässt grüßen.
 
Karlsruhe als Stadt der digitalen Souveränität und digitalen Menschenrechte macht sich heute mit diesem Beschluss lächerlich. Dieses Projekt steht im völligen Widerspruch zu unser Digitalisierungsstrategie und zu digitalen Rechte. Daher können wir das nur ablehnen.