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Endlich beschlossen: Erhaltungssatzung zum Milieuschutz für die Südstadt kommt

Eine breite Mehrheit im Gemeinderat folgte in der Sitzung am Dienstag unserem gemeinsam mit der KAL/Die PARTEI-Fraktion gestellten Antrag, das Verfahren zu einer Erhaltungssatzung zum Milieuschutz für die südliche Südstadt jetzt zu beginnen. Nach zähem Ringen und ausgebremst durch Corona ist dies ein wichtiger Erfolg auf dem Weg Verdrängung und Spekulation mit Wohngebäuden in der Südstadt aufzuhalten und eine aktive, soziale Wohnungspolitik der Stadt zu forcieren. Eine Erhaltungssatzung ist ein städtebaulisches Instrument,  das die Eigenart eines Gebiets auf Grund der Zusammensetzung seiner Bewohner*innenschaft erhalten und bewahren soll. Durch den Erlass einer Erhaltungssatzung werden beispielsweise Hausverkäufe, Sanierungen etc. genehmigungspflichtig. Ebenfalls kann sich die Kommune ein Vorkaufsrecht bei Hausverkäufen sichern. 

Zunächst soll nun ein sogenannter Aufstellungsbeschluss zeitnah umgesetzt werden, womit der Stadtverwaltung bereits eine verstärkte Kontrolle über Verkäufe von Häusern sowie bei geplanten Umbaumaßnahmen gegeben wird. Parallel wird eine vertiefte Untersuchung starten, deren Ergebnis in die dann endgültige Fassung einer Erhaltungssatzung einfließen wird.

Unsere Stadträtin Mathilde Göttel freut sich sehr über den gestrigen Beschluss: „Dieser Beschluss war dringend notwendig. Es gibt schon heute durch Verkäufe von Gebäuden und hohe Mietsteigerungen einen starken Gentrifizierungsdruck in der Südstadt. Der Anteil von Bewohner*innen mit geringem Einkommen sinkt, auch der Anteil von Ausländer*innen, in diesem multikulturell geprägten Stadtteil, ist bereits zurückgegangen. Eine Erhaltungssatzung ist ein Instrument, um dem Einhalt zu gebieten. Im Bereich der Augartenstraße hat ein Investor in größerem Umfang Häuser aufgekauft. Diese stehen mittlerweile zumindest in Teilen leer, die früheren Bewohner*innen mussten ausziehen. Auch vor diesem Hintergrund ist es notwendig, zeitnah zu handeln und der Stadt das Recht zu verschaffen, im Sinne der jetzigen Bewohner*innen der Südstadt einzugreifen.“

Erforderliche Personalstellen werden wir gemeinsam mit der Fraktion von KAL/Die PARTEI bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen beantragen.

Ebenfalls werden wir die Umsetzung des Beschlusses durch die Stadtverwaltung beobachten und eng begleiten.

 

Rede von Mathilde Göttel im Gemeinderat:

Erstmal: Dass wir heute so weit sind, ist ein riesen Erfolg für der Südstädter*innen - ich hoffe sie können heute noch die Sektkorken knallen lassen.

So viel zur Freude, jetzt zum Ernst der Lage. Denn die vertiefte Datenerhebung in der Südstadt zeigt einen deutlichen Handlungsdruck. Ich habe richtig Bauschmerzen bekommen als ich sie mir gestern wieder angeschaut habe. Vor allem, dass der Anteil der Ausländer*innen in der südlichen Südstadt deutlich zurück gegangen ist, während er im gleichen Zeitraum in der restlichen Stadt sogar gestiegen ist - da schrillen alle Alarmglocken. Auch der Anteil von Menschen mit SGB II Bezug ging zwar im gesamten Gebiet zurück, jedoch in der Südstadt deutlich stärker.

Besonders erschreckend, die Angebotsmieten pro Quadartmeter. Diese waren 2016 noch etwas unter dem städtischen Schnitt - mittlerweile sind diese deutlich darüber. Der Anstieg ist sehr viel stärker als in der Gesamtstadt. Die Südstadt droht einer der teureren Stadtteile zu werden. Auch weil das Potential für Gentrifizierung da ist. Da ist zum einen die sehr geringe Eigentumsquote und der hohe Altbaubestand – bereit zum Sanieren. Immerhin ein Viertel der Bewohner*innen gaben bei Umfrage Baumängel an.

Dies spricht alles zusammen eine deutliche Sprache. Für die juristische Begründung einer Erhaltungssatzung habe ich auch schon einen Vorschlag. ich zitiere den Zentraljuristischen Dienst:

„Verschärfung der Lage in derzeit  ohnehin  angespannten, gefragten  innerstädtischen  Wohnungsteilmärkten usw.“ Wir können aber auch die meisten anderen Begründungsvorschläge des zentraljuristischen Dienstes übernehmen 

Wir haben also Handlungsdruck und eine juristische Grundlage. Jetzt liegt es an uns allen eine politische Entscheidung herbeizuführen. Was ist uns die multikulturelle und sozial gemischte Südstadt, die wir so lieben, wert?

Wir müssen uns auch Bewusst machen, was es uns kostet nichts zu tun: nicht nur für die funktionierende Nachbarschaft in der Südstadt; es ist sehr teuer für die Allgemeinheit, wenn Menschen den Zugang zum Wohnungsmarkt verlieren. Denn um zu sehen, dass dies bereits passiert und passiert ist, müssen Sie nur den sozialen Trägern, wie SozPädal, einen Besuch abstatten. Für nicht wenige Menschen ist ein größerer Balkon nicht eine Frage des Komforts, sondern ob man in der Wohnung bleiben kann. Neubau günstiger Wohnungen reicht nicht, wir müssen auch bestehende günstige Wohnungen erhalten. Innenstadtnahes Wohnen muss für alle Möglich sein.

Wir als Stadt kennen unsere rechtlichen Möglichkeiten und sollten unsere Handlungsspielräume nutzen. Eine Milieuschutzsatzung ist ein Signal der Stadt an Investoren: wir haben das im Blick und lassen Fehlentwicklungen nicht einfach laufen. Das städtischen Maßnahmen-Paketchen allein reicht nicht aus: Nur zusammen mit einer richtigen Erhaltungssatzung macht das überhaupt Sinn. Dass die Volkswohnung stärker einsteigen möchte, ist erfreulich, aber nicht realistisch. Die Volkswohnung kann mit den Preisen auf dem freien Wohnungsmarkt gar nicht konkurrieren. Wenn man das ernsthaft will, dann sollte man sich doch die Vorkaufsrechte sichern. Die haben wir sofort sobald der Aufstellungsbeschluss getroffen wurde, dafür muss die Satzung nicht fertig sein.

Ich hoffe wir geben heute ein breites GO. Weiter die Situation in der Südstadt Beobachten, heißt doch nur, dass wir die Sorgen und Erfahrungen der Südstädter*innen nicht ernst nehmen - dabei haben wir das doch nicht nur im Wahlkampf immer betont.

Klar, wenn ich jetzt zu hören bekomme, eine soziale Erhaltungssatzung ist auch kein Allheilmittel -  ja das weiß ich. Unsere Gesetzeslage priorisiert die Vermehrung von Besitz immer noch höher als die Grundbedürfnisse von Menschen, die freie Lebensgestaltung und ein funktionierendes soziales Umfeld.

Das sogenannte Maßnahmenpaket der Stadtverwaltung, das kann nicht mal als Alibi - à la „wir tun ja was“ - dienen. Zahnlos ist das!

Und diejenigen, die anscheinend die Interessen der Eigentümer*innen wichtiger finden als ein funktionierendes Miteinander, muss ich dann doch fragen: Ist die Stadt nicht zu aller erst ein zu Hause? Sollte Eigentum nicht der Allgemeinheit dienen und nicht umgekehrt.

Und gerne als Frage in die Runde: wer hat hier nicht das übergeordnete Ziel, dass die Bevölkerungszusammensetzung in der Südstadt erhaltenswert und zu schützen ist?