Stellungnahme zur Abstimmung "Badisches Staatstheater Karlsruhe - Sanierung und Neubau" im Gemeinderat am 22. Juni

Heute wird im Gemeinderat über den Umbau des Staatstheaters abgestimmt. Unsere Fraktion steht bei der Abstimmung vor einer sehr schwierigen Entscheidung. Klar ist: Wir unterstützen den Umbau des Staatstheaters und sehen die Notwendigkeit vor allem im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Gleichzeitig haben wir beim Blick auf die finanziellen Aspekte Bauchschmerzen dem kostenintensiven Projekt kommentarlos zuzustimmen. Aus diesem Grunde haben wir eine umfassende Stellungnahme verfasst, die unsere Entscheidung im Gemeinderat begründen soll und welche wir im folgenden dokumentieren:

Ja zum Staatstheater – Gründe für den Umbau

Das Badische Staatstheater muss dringend saniert werden – an seinem jetzigen Standort, im jetzigen Gebäude, inmitten der Stadt. Dem stimmen wir voll und ganz zu.

Räumlichkeiten, die einst für 350 Beschäftigte geplant wurden und heute doppelt so viele Beschäftigte und zusätzlich mehrere Hundert externe Mitwirkende beherbergen, Probe- und Aufführungsbühnen, die bereits beim Bau in den 70er Jahren die Anforderungen kaum abdeckten, müssen erneuert und erweitert werden. Die Zustände, die uns bezüglich der Arbeitsbedingungen von den Beschäftigten geschildert werden, sind nicht mehr zumutbar und machen ein Handeln notwendig. Das Staatstheater muss barrierefrei werden. Der Brandschutz muss gewährleistet sein und auch die energetische Bauausführung und technische Anlagen müssen den heutigen Anforderungen angepasst werden.

Das Staatstheater soll mit dem Umbau - weit über den Besuch von Theaterveranstaltungen hinaus und noch mehr als bisher - zu einem lebendigen Treffpunkt für die gesamte Stadtgesellschaft werden. Der Zugang zur Kultur soll noch einladender werden. Das Theater und der Theatervorplatz sollen als kommerzfreier Raum ein „Offener Ort für Alle“ werden. Dieses Anliegen halten wir für äußerst erstrebenswert – wir unterstützen dies nachdrücklich.

Irrwege der Planung

Warum haben wir dennoch große Probleme der Vorlage der Stadt im Gemeinderat zuzustimmen?

Die Stadt hat aus Fehlern in der Vergangenheit nicht gelernt. Ein neues Großprojekt wird seit vielen Jahren hinter verschlossenen Türen in den Planungsstäben von Stadt und Land und im Verwaltungsrat des Staatstheaters geplant und der Stadtgesellschaft und dem Gemeinderat nach dem Motto "Friss oder stirb!" Anfang Mai zur Beschlussfassung präsentiert. Nicht einmal 8 Wochen Zeit hatten die Gemeinderät*innen, um sich mit dem neuen Projekt zu befassen. Nun sollen sie über eine Finanzierung von 508 Mio. Euro und mehr entscheiden.

Die Finanzen und Auswirkungen auf andere Projekte

Es ist gut, dass die Kosten mittlerweile realistischer dargestellt werden und Risiken einberechnet werden. Die Auswirkungen der Verwirklichung des Projekts auf den Gesamthaushalt werden aber auch heute noch gegenüber dem Gemeinderat allenfalls im Kleingedruckten dargestellt.

Es wird derzeit gerne auf Corona verwiesen, aber seit Jahren ist absehbar, dass die finanziellen Spielräume der Stadt zunehmend enger werden. Wie will die Stadt dieses Großprojekt zusätzlich zu den bestehenden und künftig notwendigen Ausgaben für Klimaschutz und im Sozialbereich finanzieren?

Fast verschämt wird darauf hingewiesen, dass andere Investitionen in den nächsten Jahren deshalb zwingend verschoben werden müssten. Schulsanierungen gegen eine Sanierung des Staatstheaters auszuspielen, ist nach unserer Auffassung unzulässig und die großen und drängenden Projekte zum Klimaschutz wurden noch nicht begonnen und stehen mit einer Entscheidung für das Staatstheater wieder auf der Streichliste? Dem können und werden wir nicht zustimmen.

Kein Wort dazu von Seiten der Stadt, woher zusätzliche Einnahmen kommen könnten und was eingespart werden soll. Angesichts der städtischen Aufgaben und aktuellen Finanzplanung ist dies aus unserer Sicht ein kaum zu verantwortendes Unterfangen. Die Bau- und Kreditkosten aus dem Projekt Staatstheater werden den städtischen Haushalt in 2-stelliger Millionenhöhe auf Jahrzehnte belasten - die U-Strab lässt grüßen.

Es könnte zukünftig nur an den sogenannten freiwilligen Leistungen der Stadt gespart werden. Hier geht es insbesondere um die Existenz der vielen guten und notwendigen sozialen und kulturellen Projekte, die das Leben in der Stadt lebenswert machen, um die Unterstützung auch kleiner Organisationen. Beispielsweise geht es um einen Tagestreff für wohnungslose Frauen, Treffs für Jugendliche, Integrationsprojekte, Projekte und Institutionen der freien Kulturszene, ein Projekt für Suchtkranke und vieles mehr. Dies alles möglicherweise fallen zu lassen, um die Sanierung und Finanzierung des Staatstheaters zu finanzieren, ist mit uns nicht machbar.

Alternativlose Planung und schlechte Alternativen

Eine kleinere Lösung scheint für das Projekt kaum möglich. Die Sanierungspaket Staatstheater ist aus unserer Sicht viel zu komplex, um es aufzuschnüren und notwendige Baumaßnahmen von verzichtbaren zu unterscheiden. Das können wir als kleine Gemeinderatsfraktion nicht leisten. Und der Gemeinderat insgesamt kann dies aus unserer Sicht ebenfalls nicht. Die zuständigen Planer*innen vermitteln wieder einmal, die Gesamtplanung sei - ohne wenn und aber - alternativlos. So sind eventuell vorhandene Einsparmöglichkeiten nicht zu ermitteln.

Diskussionen über einen Neubau statt des Umbaus führen aus unserer Sicht nicht weiter. Forderungen später bei den Betriebskosten zu sparen sind ebenfalls der falsche Weg. Variabel sind zukünftig letztlich die Personalkosten. Ein neues tolles Gebäude zu erstellen und dann am Personal, oder dann doch mit einer Schließung einzelner Sparten des Staatstheaters zu sparen - diesen Weg werden wir nicht mitgehen.

Wie es anders gehen könnte …

Die Finanzplanung der Stadt muss aus unserer Sicht längerfristig und ganzheitlich gedacht werden. Eine Bevorzugung weniger teurer Großprojekte, die den Gesamthaushalt auf Jahrzehnte aushebeln, schränken die Gestaltungsmöglichkeiten und Entwicklung der Stadtgesellschaft massiv ein. Angesichts der erforderlichen Summen hätten schon lange Überlegungen zu zusätzlichen Finanzierungsquellen angestellt und verfolgt werden müssen. Finanzielle Unterstützung könnte wahrscheinlich auch aus der Stadtgesellschaft und von Unternehmen eingeworben werden. Mit einer Bürgerstiftung für den Umbau, eine Bürgergenossenschaft für die Photovoltaik-Anlage – Vorschläge, die jetzt noch von Gemeinderatskolleg*innen kamen, könnten u.U. Gelder eingespart werden. Ein kommunaler Fonds "Staatstheater für Alle" wäre ebenfalls eine Idee, um zusätzliche Gelder zu gewinnen. Ähnliches hatte unsere Fraktion bereits als zusätzlichen Antrieb für den Sozialen Wohnungsbau in der Vergangenheit vorgeschlagen.

Die Stadtverwaltung hätte die Aufgabe, über entsprechende Möglichkeiten nachzudenken und diese rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Sie tut das nicht gerne. Aber neue Ideen und Wege sind dringend nötig.

Auch drängt sich die Frage auf, ob angesichts einer chronischen - nicht erst durch Corona bedingten - Unterfinanzierung der Kommunen ein neuer Finanzierungsschlüssel zwischen Land und Stadt vereinbart werden könnte und bezüglich der Finanzierung des Staatstheaters vereinbart werden müsste.  Aus unserer Sicht muss die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben über die verschiedenen politischen Ebenen neu verhandelt werden.

Als einen Schritt in diese Richtung haben wir einen Änderungsantrag in den Gemeinderat eingebracht, in dem wir fordern, dass die Stadt mit dem Land eine Vereinbarung trifft, die jährlichen städtischen Zahlungen nicht auf 20 Mio., wie von ihr beabsichtigt, sondern auf 10 Mio. Euro pro Jahr zu reduzieren.

Ob der Gemeinderat und die Stadt nochmals umsteuern und damit für das Staatstheater und für den Erhalt von Spielräumen bei anderen elementaren Projekten der Stadt eintreten werden?