Bericht aus dem Gemeinderat vom 15.11.22

Der Gemeinderat begann zum zweiten Mal in Folge mit der kurzfristigen Absetzung eines Antrags unserer Fraktion.

Wir hatten einen (möglichst weitgehenden) Erhalt der 48 Platanen in der Kaiserstraße gefordert. Der Antrag war im Oktober-Gemeinderat aus Zeitgründen verschoben und wurde nun am Abend vor der Sitzung von der Tagesordnung abgesetzt. Der Grund bleibt bis heute unklar. Wir haben unterschiedliche Begründungen vom Büro des OB bekommen. Zum einen habe die Grüne-Fraktion eine „Vorbereitungsrüge“ gestellt und eine Vorbehandlung im Planungsausschuss verlangt, zum anderen teilte uns der OB mit, er habe das Thema abgesetzt. Für uns ist es auffällig, dass es - im Sinne unseres Antrags - eine breite Öffentlichkeit in der Stadt gab, die Verwaltung und den Gemeinderat aufforderte, die Entscheidung die Bäume zu fällen, zurückzunehmen. Ein Besuch der Sitzung, als Zeichen des Protests, war durch das Karlsruher Klimabündnis angekündigt.

 

Und wir bleiben dabei. Große erhaltenswerte Bäume in der Innenstadt zu fällen, ist angesichts der Notwendigkeiten sofortiger Klimaschutzmaßnahmen der falsche Weg. Und die Fällung wird in der Karlsruher Bevölkerung verständlicherweise als Signal verstanden: Die Stadt redet zwar über Klimaschutz, aber tut nichts bzw. hält im Zweifelsfall an veralteten Planungen fest. Die Fertigstellung des Marktplatzes, der sich zu einer sommerlichen "Bratpfanne" im Zentrum Karlsruhes entwickelt hat, ist offensichtlich nicht Warnung genug.

 

Wir hatten einen Geschäftsordnungsantrag eingelegt. Darin haben wir beantragt - einem Vorschlag aus der Karlsruher Stadtgesellschaft folgend - nochmals eine öffentliche Anhörung von Expert*innen durchzuführen und Szenarien für den Erhalt der Planungen zu überprüfen.

Dieser Antrag wurde aus formalen Gründen abgelehnt.

 

Wir verstehen es als Versuch eines Kompromissvorschlags des OB, dass er nun das Thema am 06. Dezember im öffentlichen Teil des Hauptausschusses behandeln will. Es könnten vorab Expert*innen um Stellungnahme gebeten werden und auch zwei Expert*innen an der Sitzung teilnehmen.

Für ausreichend Zuschauer*innen-Plätze könne auf der Tribüne und mit einer Übertragung in den Vorraum gesorgt werden.

 

Gleichfalls deutlich gemacht hat der OB aber auch, dass er den Zeitplan zur Fällung nicht mehr ändern will. Im Dezember-Gemeinderat solle endgültig entschieden werden, damit im Januar, wie geplant, Fällung und Baumaßnahmen in einem ersten Bauabschnitt der Kaiserstraße begonnen werden können.

 

In der regulären Sitzung wurden dann mehrere Themen, die die Karlsruher Wohnungspolitik betreffen besprochen und entschieden.

Es wurde die Satzung des Bebauungsplans für das Gebiet "Westlich der Erzbergerstraße" in der Karlsruher Nordstadt beschlossen. U.a. Wohnungen für 2.600 Menschen sollen dort entstehen. Sehr nachteilig ist, dass große Flächen einem privaten Immobilienentwickler aus der Unternehmensgruppe der Gröner Group gehören.

Mathilde Göttel führte in Ihrer Rede aus: "Grundsätzlich begrüßen wir die Planung auf dem ehemaligen Gewerbegebiet in der Nordstadt.

Auch wenn an dieser Stelle natürlich nicht vergessen werden darf, dass sie für einige auch Nachteile bedeutet. Seien es die Einschränkungen für den NCO oder ein wegfallender Skaterplatz, für den zeitnah ein Ersatz gefunden werden muss. Das Gleiche gilt für den Baseballverein der Cougars. Dass sie ihren Spielbetrieb nahtlos fortsetzen können, ist fast mehr als eine Bitte."

Weiter führte Sie zum "zu wenig" und "zu viel" der Planungen aus: "Dass diese wertvolle Stadtentwicklungsfläche in den Besitz eines privaten Investors kommen konnte, war ein Kardinalfehler. Welchen gewaltigen Sprung wir sonst für den sozialen und ökologischen Wohnungsbau auf diesem Areal für Karlsruhe hätten machen können …

70% Belegungsbindung mit der Volkswohnung und anderen Akteur*innen und jetzt auf weiten Teilen gerade mal etwas über 20% bezahlbare Wohnungen. Was wir als Fraktion immer noch nicht verstehen können, warum man einem Investor, der auf sich auf seiner Internetseite damit präsentiert, bei all seinen Projekten 30% Sozialwohnungen zu erstellen, nicht mal darauf hat festnageln können. Soviel zum Thema zu wenig.

Jetzt zum Thema zu viel: Ein innovatives Verkehrskonzept mit der Vorgabe ein Stellplatz pro Wohnung? Das ist stinknormale Landesbauordnung. Das ist weder im Sinne des Klimaschutzes, noch der Verkehrswende, noch eines kostengünstigen Wohnens. Darum werden wir dem Bebauungsplan zu diesen Konditionen nicht zustimmen können."

Zu den erfreulichen Teilen führte sie aus: "Wir freuen uns, dass die Verwaltung noch mal bestätigt hat, zeitnah mit der Konzeptvergabe, auch an innovative Wohnprojekte, zu beginnen. Angesichts der Konfusion, die unter den aktiven Gruppen in Karlsruhe entstanden ist, ist es gut hierfür –bald- noch eine öffentliche schriftliche Bestätigung zu haben. […] Sie, als Stadtverwaltung, sind an der Reihe." Mit Aussagen der Stadtverwaltung zu unserem Ergänzungsantrag haben wir versucht, eine solche Vergabe an Wohnprojekte abzusichern.

 

Und nochmals ging es um das Thema "Bezahlbare Wohnungen". Gemeinsam mit Grünen und SPD hatten wir einen Antrag gestellt, auch für kommende Neubaugebiete im sogenannten "Außenbereich" eine bescheidene Quote von 30% Sozialwohnungen sicherzustellen. Ganz konkret geht es um das geplante Neubaugebiet "Neureut Zentrum III", wo ca. 1.400 Wohnungen gebaut werden sollen. Wir hatten im Antrag viele Instrumente skizziert, die helfen können, dieses Ziel zu erreichen. Das Baugesetzbuch bietet hierzu Möglichkeiten, die in vielen Städten genutzt werden.

Die Antwort der Stadtverwaltung war relativ deutlich. Sie will diese Instrumente nicht nutzen. Eine "Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme", die prädestiniert ist, um Gebiete mit sehr kleinteiligem Grundstückbesitz im Sinne des städtischen Bedarfs zu entwickeln, sei zu schwierig und zu langwierig. Grüne und SPD beugten sich weitgehend der Argumentation und eher wachsweichen Vorschlägen der Verwaltung, an den OB waren die Vorteile des Instruments der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme anscheinend nicht ausreichend übermittelt worden.

Mathilde Göttel stellte in Ihrer Rede klar: "Der Anspruch sollte darum nicht sein so schnell wie möglich weiterzumachen, sondern so gut wie möglich." Ein schneller Bau von Wohnungen entspricht sowieso nicht der Realität in Karlsruhe und teure Wohnungen hat Karlsruhe aus unserer Sicht bereits genug. Mehr Sozialwohnungen wären dringend nötig.

 

Ebenfalls verabschiedet wurde gegen unseren Widerspruch ein neuer Mietspiegel für Karlsruhe, der in unseren Augen eher ein "Mietsteigerungsspiegel" ist, da er insbesondere in Innenstadt-nahen Bereichen Vermietern helfen kann Mietsteigerungen durchzusetzen.

Vor zwei Jahren hatte der OB zugesagt, nochmals die von uns bemängelten Kriterien zu prüfen und zu diskutieren. Er musste eingestehen: Dies hatte er vergessen.

 

Am Ende der Sitzung wurde unser Antrag zur Majolika behandelt. Wir hatten beantragt, dass es keinen Verkauf und auch keine Vergabe in Erbpacht der Majolika-Immobilie an ein Unternehmen der Gröner Group geben sollte und dass die Stadt auch keine anderweitigen Geschäfte mit dieser Unternehmensgruppe mehr machen solle.

Link zum Antrag: www.dielinke-fraktion-karlsruhe.de/start/initiativen-im-gemeinderat/antrag-kein-verkauf-keine-vergabe-der-immobilie-der-majolika-an-die-groener-group/

Wir hatten darauf hingewiesen, dass die Stadt bei verschiedenen Bauprojekten der Gröner Group in der Stadt nicht "glücklich" agiert hatte, dass wir den Eindruck hatten, dass die Unternehmensgruppe um ihre Führungsfiguren Martin Müller und Christoph Gröner ihre Profitinteressen meist gut durchsetzen konnte und dass das Allgemeinwohl nicht ausreichend zum Tragen kam.

 

Unsere Stadträtin, Karin Binder, führte in ihrem Redebeitrag aus, dass die Unternehmen der Gröner Group bei anderen Projekten gemachte Zusagen nicht eingehalten hätten. Versprechen Musiker*innen durch eine Quersubventionierung neue Proberäume zu ermöglichen, führten zu keinem Ergebnis. "Die Gröner Group hat unseres Wissens bisher keine Unterstützung geleistet, um Ersatz zu schaffen oder zu organisieren. Das ist nun Aufgabe der Stadt," sagte Karin Binder. "Es gibt auch noch weitere Gründe besondere Vorsicht in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Gruppe walten zu lassen. Haben wir es hier doch mit einem Investor zu tun, der sich in der Zeitung damit zitieren lässt, wie er andernorts seine Kontakte mit Bürgermeistern in VIP-Lounges im Fußballstadion genutzt hat, um damit seine Bauprojekte schneller zu verwirklichen. Das geht gar nicht!" Wohlgemerkt die Gröner Group ist Top-Sponsor des KSC und Martin Müller ist Vizepräsident des Vereins. "Es darf nicht sein, dass wir auch noch bei der Majolika auf das Wohlwollen eines Investors angewiesen sind, der schon zu viele hunderte Millionen schwere Bauprojekte in der Stadt durchführt. Das ist zu viel Macht in einer Hand oder anders gesagt: aus unserer Sicht zu viel Macht in den falschen Händen," schloss Karin Binder ihre Rede.

Lautstarke Zwischenrufe von anderen Gemeinderät*innen störten die Rede. Der OB, als Leiter der Sitzung, sah sich nicht veranlasst unterstützend einzugreifen. Die Empörung im Gemeinderat über unseren Antrag war - für uns nicht wirklich überraschend - groß.

 

Auf unsere Kritik zum Vorgehen der Stadt wurde nicht eingegangen. Für die Zukunft der Majolika-Immobilie wurde auf einen ausstehenden Bebauungsplan und ein angefordertes Konzept zum Weiterbetrieb der Majolika verwiesen, die als Entscheidungsgrundlage dienen sollten. Auch kein Eingehen darauf, dass die Gröner Group bei anderen Wohnbauprojekten, wie beispielsweise "Zukunft Nord" weitgehend schalten und walten kann, wie sie will - trotz eines neuen Bebauungsplans und eines Städtebaulichen Vertrags mit der Stadt.

Der Investor Gröner wurde gar als "Retter in der Not" begrüßt. Zu einer Beschäftigung mit mehr als fragwürdigen Statements des Firmengründers und Unstimmigkeiten bei alten Projekten kam es nicht.

Nicht wirklich überraschend für uns war, dass eine Seite des Gemeinderats das "freie Unternehmertum" angegriffen sah. Da fühlen wir uns nicht ganz falsch verstanden. Wir sehen und haben dies immer betont einen Gegensatz zwischen dem Interesse von Unternehmen, wie der Gröner Group, Profite mit Immobilien und Bauprojekten zu erzielen und dem Interesse der Stadtgesellschaft eine dem Allgemeinwohl dienende Stadtentwicklung zu fördern.

Auffällig für uns war die emotionale Empörung, die wir von OB Mentrup wahrnehmen konnten. Er verwahrte sich scharf, dass wir Zusammenhänge - er meinte wahrscheinlich einer unguten Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und Gröner Group? - herstellen würden, die so nicht stimmten. Tiefer eingegangen ist er auf die von uns angeführten Fakten ebenfalls nicht.

Sämtliche anderen Fraktionen stimmten gegen unseren Antrag.

Als kleines Trostpflaster wurde einem Ergänzungsantrag von KAL/Die PARTEI zugestimmt, dass die Majolika-Immobilie von der Stadt nicht verkauft werden darf. Eine Vergabe in Erbpacht an private Investoren ist damit jedoch ausdrücklich nicht ausgeschlossen.